Unkonventionelle Anzüge

Kaum haben Phil und ich den Laden betreten, kommt uns bereits eine ambitionierte Verkäuferin entgegen. Zumindest denke ich, dass es sich bei dieser Frau um eine Verkäuferin handelt. Sie trägt das für Verkäuferinnen übliche Namensschildchen über ihrer Brust, auch wenn der Rest ihrer Aufmachung so gar nicht zum edlen und eher teuer angehauchten Look des Ladens passt.
Die junge Frau mit den pechschwarzen, zu einem endlos langen Zopf geflochtenen Haaren sieht aus, als wäre sie soeben einer Gruft entsprungen, wenn man den Teil mit den Spinnennetzen und dem Staub einmal weglässt. Und als hätte Phil gerade den Gedanken mit mir geteilt, tippt er mich von der Seite an und flüstert mir leise „Uhh, eine Gothic Braut“ ins Ohr.
Ich verpasse ihm einen kleinen, freundschaftlichen Stoß und keine Sekunde später steht die besagte „Gothic Braut" vor uns und lächelt uns an. Wobei man Lächeln dazu nicht wirklich sagen kann. Die Mundwinkel schieben sich ein bisschen in die Höhe, wahrscheinlich um den Anstand zu wahren und nicht, weil sie sich freut, uns gleich bedienen zu können.  
„Kann ich behilflich sein?“, erkundigt die Dame sich bei uns und im ersten Moment bin ich erstaunt, wie sanft und freundlich ihre Stimme im Kontrast zu der düsteren Aufmachung klingt.
„Wir brauchen einen Anzug. Er ist mein Trauzeuge", Phil zeigt auf mich, ehe er fortfährt. „Und er hat bisher nicht geschafft, sich einen Anzug für meine Hochzeit zu besorgen, die übrigens morgen stattfindet“, informiert der zukünftige Bräutigam die tot-aber-doch-lebendig-Verkäuferin und lässt es sich dabei nicht nehmen, mich spüren zu lassen, wie unglaublich genervt er von mir ist. Ja, zugegeben, ich hätte den Anzug schon längst besorgen können, aber Anzüge sind nun mal eben nicht so mein Ding. Ich mag es einfach, gemütlich und dezent.

„Da sind sie bei uns ja genau richtig“, meint die Verkäuferin zuckersüß und schiebt ihre Mundwinkel noch einen Millimeter höher. Gruselig, wenn das so weitergeht, bekommen wir bis zum Ende des Tages wirklich noch ein richtiges Lächeln auf ihr Gesicht. Irgendetwas sagt mir, dass so eins dieser Frau sogar richtig gut stehen könnte, schließlich sieht sie auch ohne ziemlich niedlich aus, selbst wenn ich eigentlich nicht so auf diese von-den-Toten-auferstandenen-Aufmachung stehe.

„Perfekt, am besten einen in dunkelblau mit Manschetten“, ordert Phil.
Die Verkäuferin nickt. „Alles klar, davon haben wir einige zur Auswahl.”
Sie signalisiert uns mit einer Handbewegung ihr zu folgen, was wir sogleich, brav wie wohlerzogene Hündchen tun.
Zusammen schlendern wir an diversen Kleiderständern mit überteuerten Brautkleidern vorbei und begeben uns in den hinteren Bereich, der wohl für Männer und ihre Belange vorgesehen ist.

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